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Erdgeschichte hautnah erleben

Interessantes und Staunenswertes vom Naturdenkmal Alaunwerk

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Aus dem Urmeer des Silurs

Das Mühlwander Gestein bildete sich in der erdgeschichtlichen Epoche des Paläozoikumus (Erdaltertum), während der Formation des Silurs, als das meiste Leben noch im Meer angesiedelt war und einfachste Pflanzen erst das Land zu erobern begonnen hatten.
Was heute das Vogtland ist, war vor ca. 430 Millionen Jahren ein Teil des Meeresbodens auf der Südhalbkugel der Erde. Damals zählte ein Jahr 400 Tage zu je 22 Stunden. Es herrschte ein stilles, warmes und sonniges Klima. Infolge fehlender Stürme bestand im Meer Sauerstoffarmut, was dazu führte, dass im Wasser gelöste Metalle wie beispielsweise Eisen ausflockten und auf Grund sanken. Dennoch bevölkerten zahlreiche fremdartige Lebensformen das Meer, welche nach ihrem Tod ebenfalls zu Boden sanken.

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+ Zeugnisse des Erdaltertums (Paläozoikum)

Paläozoikum bedeutet 'Zeit des altertümlichen Lebens', bezieht sich also auf die Entwicklung des Lebens und nicht auf das Alter der Erde selbst, das etwa 4,6 Milliarden Jahre beträgt. Erste biologische Gebilde sind zwar schon aus der Mitte des Präkambriums (~ 2,5 Mia a) bekannt, doch entwickelte sich das Leben sehr langsam, bis es vor etwa 550 Millionen Jahren, zu Beginn des Paläozoikums, regelrecht erblühte ('kambrische Explosion'). Erstmals entstand eine umfangreiche und differenzierte, wenn auch sehr fremdartige Tier- und Pflanzenwelt im Meer, welche sich bis zur Mitte der Epoche das Festland eroberte.

In den Geotopen in und um Mühlwand sind erdgeschichtliche Vorgänge erkennbar, die maßgeblich die heutige Gestalt des Vogtlandes und weiterer Landschaften prägten. Aus Meeres-Sedimenten des Ordoviziums (~ 480−445 Mio a) entstanden die meisten vogtländischen Schicht- und Schiefergesteine. Der Mühlwander Alaunschiefer bildete sich dagegen aus Sedimenten der Silurzeit (~ 445−420 Mio a) und der Diabas der typischen Hübel und Pöhle entstammt untermeerischen Vulkanen im Devon (~ 420−360 Mio a). Im folgenden Abschnitt des Karbon (~ 360−300 Mio a) sorgten gebirgsbildende Kräfte für mächtige Faltungen, Brüche und Verwerfungen der Schiefergesteine.

 

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Aus tonhaltigem Schlamm, abgestorbenen Organismen und ausgeflockten Metallen bildete sich Schicht für Schicht ein Sediment am Meeresboden. Die wegen des Sauerstoffmangels schlecht verwesenden Organismen inkohlten teilweise, teilweise verbanden sich ihre Zerfallsprodukte mit den ausgefällten Metallen (sog. Faulschlamm-Fazies). So bildete sich über Jahrmillionen hinweg ein erdöl- und grafithaltiger, schwarzer Schieferton bis Tonschiefer mit zahlreichen Phosphat- und Sulfid-Einschlüssen (Apatit, Pyrit, Markasit).
Neben den oft farbigen Mineralien zeigen sich im Mühlwander Schiefer auch Fossilien: vor allem grau-silbrige Reste von Graptolithen, seltener körperliche Abdrücke von Crinoiden ('Seelilien').

Die reduzierenden Bedingungen in den silurischen Meeren führte zum Ausfällen weiterer Elemente und Schwermetalle, darunter auch Gold und Uran, die ebenfalls im Schiefer nachweisbar sind. Nach BUNZEL liegt der Goldgehalt im Schwarzschiefer bei etwa 1 bis 2 g/Tonne. Das Edelmetall ist allerdings sehr fein verteilt und daher nicht nutzbar. Der silurische Schwarzschiefer im Ronneburger Raum enthielt bis zu 60 g Uran je Tonne, was zum Bergbau durch die SDAG Wismut führte, und indessen folge zu schweren Umweltschäden.

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Seltsame Zeichen im Stein

Auf manchen Schieferstücken zeigen sich seltsame, fein gezahnte Striche, Bögen, Kreise oder Gabelungen: die Graptolithen. Es sind fossile Überreste Kolonien bildender Organismen von wenigen Zentimetern Länge, die längst ausgestorben sind. Da sich ihre Formen mit der Zeit immer wieder veränderten, eignen sich ihre Abdrücke sehr gut als Leitfossilien zur Altersbestimmung des umschließenden Gesteins. Die 'Zeichnungen' stammen von den Gehäusereihen der zierlichen, einst im Urmeer schwebenden Tierchen. Als helles Mineral Gümbelit zeichnen sie sich recht gut auf dunklem Schiefer ab.
Die eigentlichen, nur ½ Millimeter winzigen Tiere lebten in einzelnen Wohnkammern (Theken) aus Chitin und holten sich mit feinen Fangärmchen Plankton als Nahrung aus dem Wasser.

⊕ Graptolithen-Übersicht, PFD-Dokument ⇒

 
⊕ 'Ungeheuer' des Silurs | anzeigen ⇓

+ 'Ungeheuer' des Silurs

Im Silur lag die Ära der gewaltigen Saurier noch in weiter Ferne. Die mächtigsten Jäger des Meeres waren teils riesige Skorpione: die Eurypteriten. Mit ihren kräftigen Klauen jagten sie hauptsächlich großen Kopffüßern, Nautiloideen nach (Bild ganz oben) oder einfachen Panzerfischen und Agnathen (unten), die damals die am weitesten entwickelten Tiere bildeten.

Kiferlose Panzerfische im Silur
 

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Vogtländischer Diabas

Dem Silur schloss sich die Epoche des Devon an (vor 359 - 419 Mio. Jahren). In dessen zeitlicher Mitte kam es zu heftigen tektonischen Bewegungen der Erdkruste, die zahlreiche Brüche und Störungslinien zur Folge hatten. Dabei wurde das ganze heutige Vogtland in Schwellen und Tröge gegliedert ('Reußische Phase'). Entlang der Bruchzonen stieg Magma nach oben, ergoss sich über den Meeresgrund oder kurz darunter. Es drängte sich dabei auch zwischen die Sedimentschichten der früheren Epochen und erstarrte dort in Form von Gängen, Bänken oder flächigen Linsen. So kommt es, dass man heute das devonische Vulkanitgestein Diabas von Jahrmillionen älteren Schiefer umschlossen vorfindet.

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+ Vulkane und Bomben

Diabas war einst vulkanischer, dunkelgrauer Basalt. Durch lange Einwirkung von Meerwasser und Erdkräfte verwandelten sich die in ihm enthaltenen dunklen Minerale zu grünen Chloriden und Serpentinit. Dadurch zeigt das Gestein heute im Bruch eine mehr oder weniger grünliche Färbung und wird deshalb auch Grünstein genannt. Die petrologisch korrekte Bezeichnung dagegen lautet: Paläobasalt.

Die typischen Kuppen des Vogtlands − oft Hübel oder Pöhl genannt − sind meist Überreste ehemaliger mariner Vulkankegel aus der Devon-Zeit und bestehen aus hartem Diabas, dessen Tuff- oder Trümmergesteinen. Sie prägen die Landschaft vom Burgsteingebiet bis vor Greiz (Schönfeld) und Zwickau (Schönfels).
Gelegentlich findet man auch vulkanische Auswurfgebilde aus Diabas: spindel- oder brotlaibförmige, ehemalige Lava-'Bomben', mit schalenartiger Abwitterung infolge der einstmals raschen, radialen Abkühlung im Meerwasser.

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Gewaltige Erdkräfte

In der folgenden erdgeschichtlichen Epoche des Karbon (vor 300 - 359 Mio. Jahren), pressten gebirgsbildende Kräfte die Gesteinsschichten zusammen, was zu Verschiebungen, Kippungen und fast spielerisch wirkenden Falten und Schlingen im Fels führte. Diese unübersehbaren Zeugnisse tektonischer Bewegungen zeigen sich mehrfach im Bergwerk im Maßstab von etlichen Metern bis in den Zentimeterbereich (Falten und Fältelungen in größeren Falten).

⊕ Naturdenkmal 'Liegende Falte' und Varisken | anzeigen ⇓

+ Naturdenkmal 'Liegende Falte'

Etwa 100 Meter vom Besucherbergwerk entfernt liegt direkt an der Rotschauer Straße ein weiteres interessantes Naturdenkmal: die sogenannte 'Liegende Falte'. Bei dieser fast um 180 Grad überkippten Gesteinsfalte im ordovizischen 'Hauptquarzit' (eigentlich ein glimmer- und sandhaltiger Schiefer, ca. 540 Mio. Jahre alt) liegt im unteren Teil das ältere Gestein über dem jüngeren.

+ Das Variskische Gebirge

Die karbonische Faltenbildung war so mächtig und weiträumig, dass die größten 'Faltenwürfe' Weiten von vielen Kilometern aufwiesen. Dabei entstand ein von Frankreich bis Polen reichendes, wellenartiges Hochgebirge. Nach der ungefähr mittig liegenden Stadt Hof − die curia variscorum (Stadt der Varisker) − spricht man vom Variskischen oder Variszischen Gebirge, kurz Varisken.

Bis zum Ende des Erdaltertums (vor 252 Mio. Jahren) − zu Beginn der Saurierzeit − waren die Varisken schon weitgehend abgetragen. Die Landschaft im Süden Mitteldeutschlands besteht heute aus dessen letzten Überresten bzw. Rümpfen. Aber die variskischen "Riesenfalten" lassen sich noch immer in den abwechselnden Sätteln und Mulden des Thüringer Schiefergebirges ablesen, dessen östlichster Ausläufer unser Göltzschtal bis vor Lengenfeld darstellt. Die Gipfel des 'Wellengebirges' unterlagen der Abtragung in besonderem Maße, daher bestehen deren Rümpfe − Sättel genannt − heute nur noch aus den alten paläozoischen Gesteinen (Ordovizium und älter). In den einstigen Tälern und heutigen Mulden dagegen blieben auch die jüngeren Schichten (Silur, Devon, Karbon) erhalten. An den jeweiligen Übergangszonen von Mulde zum Sattel und umgekehrt wiederholen sich deshalb in rund 20 - 30 km Abständen relativ schmale Aufschlüsse von Schichten mittleren paläozoischen Alters − wie der von Alaunschiefer. An diesen Übergangslinien entstanden dann um und nach 1500 die Vitriol- und Alaunwerke.

Auf der östlichsten Linie liegen die ehemaligen Standorte Neumark, Mühlwand und Plauen; auf der nächsten Linie in Richtung Westen, in Thüringen, das Alaunwerk Zeulenroda und auf der nächsten wiederum die Saalfelder 'Feengrotten' sowie die Gruben bei Schmiedefeld und Fischersdorf.
Richtung Osten, im Bereich des heutigen Erzgebirges, kam es durch spätere erneute Hebung und Schrägstellung der variskischen Rumpflandschaft zu verstärkter Verwitterung und Erosion. Dort gingen die silurischen Alaunschiefer und jüngeren Schichten restlos verloren. Daher findet man heute im Erzgebirge − neben Ergussgesteinen diversen Alters − weitgehend nur noch die älteren Ablagerungsgesteine vor, die meist tektonisch stark verändert sind (metamorph überprägt und oft reich vererzt).

Darin besteht die komplementäre Einzigartigkeit des Geotops und Besucherbergwerks Mühlwand gegenüber der Bergbau- und Welterberegion Erzgebirge und ganz Sachsen.

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